„Diese Mannschaft ist wirklich eine große Familie“
Peter Radegast war müde, als ihn die DOSB-Verbandskommunikation am Montagnachmittag auf dem Mobiltelefon erreichte, und alles andere wäre auch eine Überraschung gewesen. Schließlich galt es für den Sportdirektor des Deutschen Basketball-Bundes (DBB), am Sonntagabend in Riga den EM-Titel zu feiern, den die Männer-Nationalmannschaft gewinnen konnte – erst zum zweiten Mal nach 1993. Nach dem Rückflug nach Frankfurt am Main wurden Team und Staff am Montagmittag in der Zentrale von Hauptsponsor ING begeistert gefeiert, ehe sich Spieler und Verantwortliche auf den Weg in ihre Heimatorte machten. Um den Triumph einzuordnen, nahm sich Radegast (55), der von 2010 bis 2015 zum ersten Mal Sportdirektor war und dieses Amt seit Mai 2024 erneut bekleidet, dennoch Zeit.
DOSB: Peter, die deutschen Basketballer sind amtierender Welt- und Europameister. Wenn du dir diesen Fakt auf der Zunge zergehen lässt, welche Emotionen löst er in dir aus?
Peter Radegast: Man will sich dauerhaft kneifen, weil man es einfach nicht glauben kann. Dass wir nach dem WM-Triumph von 2023 nun auch den EM-Titel geholt haben, ist verrückt und unwirklich. Und wenn ich ehrlich bin, dann muss ich zugeben, dass es wohl niemanden im DBB gegeben hat, der sich das vor ein paar Jahren ernsthaft hätte vorstellen können.
Wie habt ihr den Triumph gefeiert?
Die Kabinenparty zog sich so lange hin, dass wir, nachdem die Pflichten in der Medienarbeit erledigt waren, erst gegen 2.00 Uhr in einem Hotel in der Altstadt von Riga waren. Dort haben wir in geschlossener Gesellschaft mit rund 100 Menschen gefeiert. Uns war wichtig, dass die gesamten Familien der Spieler, die anwesend waren, dabei sein konnten. Geschlafen haben die wenigsten, ich war um 5.30 Uhr im Hotel, habe aber nur etwas geruht, weil um 7.15 Uhr bereits das Gepäck abgeholt wurde. In Frankfurt war dann von ING alles so perfekt organisiert wie vor zwei Jahren nach dem WM-Sieg. Am Montagnachmittag haben wir uns voneinander verabschiedet. Die meisten Spieler müssen direkt zurück zu ihren Vereinen. Aus Riga in die Liga, das ist das Motto. Ein wirklich straffes Programm, aber die Jungs kennen es ja nicht anders.
Wie realistisch schien es dir vor Turnierstart, dass diese Mannschaft EM-Gold gewinnen würde?
Unser Kapitän Dennis Schröder hatte ja vorher gesagt, dass wir nicht zur EM fahren, um nur anzutreten, sondern um Gold zu holen. Aber dann gab es in der Vorbereitung doch die eine oder andere holprige Phase mit einigen verletzten und kranken Spielern und nicht zuletzt der schweren Erkrankung unseres Cheftrainers Alex Mumbrú. Deshalb habe ich zwar nicht den Glauben an das Team verloren, aber mir war schon klar, dass das nicht ganz einfach werden würde.
Holprige Phase ist eine charmante Umschreibung dafür, dass einem Team kurz vor dem Saisonhöhepunkt der Cheftrainer wegbricht. Wie schlimm stand es wirklich um Alex Mumbrú?
Er war richtig krank. Er hat ja selbst verraten, dass es sich um eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse infolge von Gallensteinen gehandelt hat. Die Schmerzen müssen furchtbar gewesen sein, im Krankenhaus in Tampere (Vorrundenspielort, d. Red.) hat er starke Schmerzmittel bekommen, um Ruhe zu finden. Zum Glück wurden nach einigen Tagen die Entzündungswerte besser, aber er hätte eigentlich weiterhin komplett ins Bett gehört. Er wollte aber das Team nicht im Stich lassen, wollte sogar zurück auf die Bank, das hat ihm aber unsere medizinische Abteilung nachdrücklich untersagt. Im Achtelfinale gegen Portugal hat er es versucht, aber gespürt, dass ihm die Energie fehlt. Dass er das eingestanden und zum Wohle des Teams und für das Erreichen der Ziele in die zweite Reihe zurückgetreten ist, ist eine Entscheidung gewesen, die ihm sehr schwergefallen ist, aber für die er höchsten Respekt verdient.
Dann kam die denkwürdige Pressekonferenz, in der sich die Mannschaft komplett hinter ihren Coach stellte, auch um Falschmeldungen in den Medien entgegenzutreten. Wie hast du das erlebt?
Ich war überwältigt von der Reaktion des Teams, die komplett von den Spielern kam, nachdem in spanischen Medien gemutmaßt wurde, Alex sei nicht mehr Cheftrainer. Sie wollten ein Zeichen setzen, dass sie zusammenstehen und der Coach selbstverständlich weiter der Chef ist, auch wenn er zunächst nicht auf der Bank dabei sein konnte. Als Maodo Lo dann das Wort ergriffen hat, war zu spüren, wie unglaublich dieser Zusammenhalt ist. So etwas kann nur authentisch funktionieren, wenn das Team wie eine große Familie ist. Alle haben auf Topniveau zusammengearbeitet, ich möchte deshalb auch niemanden herausheben, sondern ziehe vor allen meinen Hut.
Selbstwert ist mehr als Gold, Silber, Bronze
Wäre alles so gekommen, wie sie es zu Jahresbeginn geplant hatte, dann würde Tabea Schendekehl dieser Tage wahrscheinlich entspannt auf das neue Semester warten. Sport und Englisch auf Lehramt studiert die 26-Jährige in Berlin, was sich fast zwangsläufig ergibt, wenn man weiß, dass sie seit dem zwölften Lebensjahr Rudern als Leistungssport betreibt und in Seattle (USA) einen Bachelor in Kunst abgeschlossen hat. Aber Tabea Schendekehl weiß besser als viele andere Athlet*innen, dass im Leben oftmals vieles anders kommt, als man denkt und plant. Und deshalb ist sie vollkommen fein damit, seit Montagmorgen in Shanghai mit dem Team des Deutschen Ruder-Verbands (DRV) die letzten Vorbereitungen auf die WM zu treffen, die an diesem Sonntag beginnt und bis zum 28. September dauert. „Ich freue mich sehr darüber, wieder Teil der Mannschaft sein zu können“, sagt sie, „und ich fühle mich absolut bereit für den Saisonhöhepunkt!“
Dass sie diese Sätze sagen würde, schien im Herbst des vergangenen Jahres kaum denkbar. Bei den Olympischen Spielen in Paris hatte die Athletin vom RC Hansa aus Dortmund mit Pia Greiten (28/Osnabrücker RV), Leonie Menzel (26/RC Germania Düsseldorf) und Maren Völz (25/RC Potsdam) Bronze im Doppelvierer gewonnen und damit für einen der wenigen Lichtblicke aus Sicht des in den vergangenen Jahren krisengeplagten DRV gesorgt. „Das war ein herausragendes Erlebnis. Danach habe ich aber gespürt, wie hart der Weg bis Paris gewesen ist, und wusste, dass ich dringend eine Pause brauche, um mich physisch und mental zu erholen, wenn ich mein Ziel, 2028 in Los Angeles noch einmal um Olympiamedaillen zu kämpfen, erreichen möchte“, sagt sie.
2021 erhielt sie die Diagnose Angststörung und Depression
Das Bewusstsein dafür, was Kopf und Körper gut tut, rührt aus einem Erlebnis vor vier Jahren her, das Tabea Schendekehl als „Wendepunkt“ beschreibt. Im Frühjahr 2021 hatte sie mit dem deutschen Achter die Nachqualifikation für die wegen Corona um ein Jahr verschobenen Olympischen Spiele in Tokio verpasst - eine schwere Enttäuschung nach vielen Monaten harter Trainingsarbeit. Dazu hatte sie mit ihrem Team von der University of Washington die gesamte Saison durchgezogen. „Ich habe mich da regelrecht durchgeschleppt“, sagt sie rückblickend. Die Folge: Die Freude am Rudern ging verloren, die gebürtige Lünerin rutschte in ein Burn-out, aus dem sich Panikattacken entwickelten, gepaart mit Antriebs- und Freudlosigkeit. „Beim obligatorischen Gesundheitstest, den man in den USA am College absolvieren muss, fing ich auf die Frage, wie es mir geht, zu weinen an. Da hat mich der Arzt gefragt, ob ich bereit wäre, mich in psychologische Behandlung zu begeben.“
Die psychologische Diagnose - generalisierte Angststörung und leichte Depression - erschien ihr wie eine Befreiung. Eine Gesprächstherapie, kombiniert mit der Einnahme eines Antidepressivums, das den Haushalt des Neurotransmitters Serotonin steuert, half ihr durch die dunkle Phase. „Ich habe über mehrere Monate Pause vom Rudern gemacht, bin viel gewandert und Rad gefahren, was dem Körper guttat. Meine wichtigste Erkenntnis aber war, dass ich mir diese Pausen gönnen darf. Ich dachte früher, dass ich kein vollwertiger Mensch wäre, wenn ich zwei Tage nicht trainiere. Ich habe in jedem Training Bestleistung von mir erwartet und konnte mich dann nicht einmal darüber freuen, wenn sie mir gelungen war“, sagt sie. Nun habe sie verstanden, dass ihr Leben mehr ist als der Leistungssport, über den sie sich lange definiert hat, und wie wichtig es ist, Körper und Kopf Pausen zu gönnen.
2020 gewann sie als Schlagfrau mit dem Achter EM-Silber
Es war dieses Gefühl, das sie nach Paris dazu bewegte, in der nacholympischen Saison kürzer zu treten. „Das habe ich auch durchgezogen, ich habe weniger trainiert und nur punktuell Wettkämpfe bestritten“, sagt sie. Dann kam im April die Anfrage der neuen sportlichen Leitung des DRV, bestehend aus Chefbundestrainer Marcus Schwarzrock und Robert Sens als Vorstand Leistungssport, ob sie sich vorstellen könne, den neuformierten Achter zu unterstützen. Und das konnte sie. Bei der EM 2020 in Polen war Tabea Schlagfrau des Achters, der die Silbermedaille holte, und deshalb mit dem Riemenrudern vertraut. Und weil aus der Bronze-Besatzung des Doppelvierers lediglich Pia Greiten übrig geblieben ist, fiel ihr auch der Wechsel des Umfelds leichter. „Ich hatte mich ja bewusst für eine Pause entschieden, deswegen war der Teamwechsel kein großes Problem, obwohl bei so etwas immer ein lachendes und ein weinendes Auge im Spiel sind“, sagt sie.
Der erneute Wechsel vom Skullen, bei dem die Athlet*innen zwei Ruder führen, zum Riemen, wo ein Ruder mit beiden Händen bewegt wird, brachte keine Probleme. Geholfen habe ihr vor allem, im neuen Team mit offenen Armen empfangen worden zu sein, „obwohl ich erst so spät dazugestoßen bin und einer anderen Athletin den Platz weggenommen habe. Aber ich spüre, dass hier alle ein gemeinsames Ziel verfolgen und als Team zusammenhalten, und das tut sehr gut“, sagt sie. Zudem habe ihr Alexander Schmidt, Chefcoach für den Frauen-Riemenbereich am Berliner Bundesstützpunkt, das Gefühl gegeben, auf sie zu bauen.
Diese Verbesserungen für Sportvereine und Ehrenamtliche sollen 2026 kommen
Das Steueränderungsgesetz 2025 enthält spannende und wichtige Neuerungen für alle Sportvereine in Deutschland.
Das Steuer-was? Genau. Noch nie gehört und wenn doch, dann wahrscheinlich nicht so richtig verstanden. Dabei ist für Vereine wichtig, was dort drin steht. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hilft deshalb bei der Übersetzung.
Die Bundesregierung hat am 10. September den Entwurf des Steueränderungsgesetzes 2025 beschlossen. Aus Sicht der Sportvereine sind vor allem die Änderungen zum Gemeinnützigkeitsrecht wichtig und gut. Ziel der Änderungen ist es, das Ehrenamt zu stärken und attraktiver zu machen. Davon profitiert auch der Sport mit seinen acht Millionen Engagierten. Denn fast jeder Sportverein ist auf der Suche nach mehr freiwilligen Helfer*innen und Ehrenamtlichen.
Ab dem 1. Januar 2026 sollen folgende neue Regelungen gelten: